Die Befragungen und Studien zeigen, dass im zunehmenden Alter Begegnungen der Nähe, der Zärtlichkeit und der Geborgenheit größere Bedeutung in den geschlechtlichen Beziehungen erhalten als im engen Sinn sexuelle Handlungen. Eine Schriftstellerin sagte: „Mehr Wärme, weniger Feuer!“
Als Hintergrund sind die unterschiedlichen Begrifflichkeiten „Körper“ und „Leib“ hilfreich zum Verständnis. Mit Leib wird in der Leib-Phänomenologie und Leib-Therapie der erlebende Mensch bezeichnet. „Leib“ stammt von „lib“ ab und bedeutet: Leben, lebendig … Der Körper kann Gegenstand, kann Objekt werden, behandelt, manipuliert, dressiert usw.
Das Körpererleben ist die Synthese beider Aspekte. In einem weiten, leiblichen Verständnis von Sexualität umfasst diese ein breites Spektrum von zärtlichen Berührungen und wärmenden Blicken bis zu sexuellen Höhepunkten. Offenbar wird für ältere Menschen der leibliche Aspekt der Sexualität immer bedeutsamer.
So wie manche Menschen in manchen Kontexten ihren Körper nahezu gewaltsam trainieren oder operieren und dabei Leistungsorientierung das Körpererleben überdeckt, so kann auch die Sexualität als pure Körperfunktion vom Erleben abgespalten werden. Dies ist der Boden dafür, dass manche Menschen, insbesondere Männer in zunehmendem Alter sexuell zunehmend leistungsorientiert werden, nicht altern wollen oder können und oft auch übergriffig werden. Wenn der Körper zum Objekt wird, werden auch andere Menschen leicht zum Objekt und als solche behandelt.
Doch die meisten alten Menschen sehnen sich nicht nach Geschlechtsverkehr, wohl aber nach Nähe und Geborgenheit, nach zarten Handberührungen und zärtlichen Blicken. Dies im Alltag zuzulassen, unterstützt und akzeptiert die sexuellen Bedürfnisse im Sinne der obigen Definition. Auch ein Lächeln kann erotisch wirken.
Wenn Sexualität nicht aus (überwiegend männlicher) Sicht als Körperfunktion und Geschlechtsakt betrachtet wird, erübrigt sich das Gerede von „Sexual-Assistenten“. Die Sexualität alter Menschen verdient Achtung und Würdigung. Nicht nur in der Altenhilfe.
Literatur
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in der stationären Altenhilfe. Witten
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